Volpiano

Wilhelm von Volpiano
Figur des Wilhelm von Volpiano am Ambo der Basilica di San Giulio (Ortasee)
Foto: © Fabio Casalini (viaggiatoricheignorano.blogspot.de), mit freundlicher Genehmigung

Die Notenschriftart Volpiano wurde im Jahr 2003 am Institut für Musikwissenschaft der Universität Regensburg erarbeitet. Sie folgt dem Prinzip der Notation von Tonhöhen mit Hilfe von Buchstaben, das in der dem Abt Wilhelm von Volpiano zugeschriebenen Handschrift des Tonars von Saint-Bénigne (10./11. Jahrhundert) Verwendung findet. Auf Grundlage dieser Idee entwickelte Prof. Dr. David Hiley ein System zur Erfassung gregorianischer Melodien in Datenbanken und damit die Möglichkeit ihrer »alphabetischen« Sortierung. Die technische Umsetzung und Entwicklung der Schriftart liegt in den Händen von Fabian Weber M.A.

Neben der Grundversion Volpiano basic ist auch eine grafisch und technisch erweiterte Variante in Vorbereitung. Volpiano pro soll vor allem in anspruchsvollen Editionen Verwendung finden.

Zahlreiche größere und kleinere Forschungsprojekte setzen Volpiano für ihre Arbeit ein. So sind die Melodie-Incipits des Regensburger Cantus-Planus-Archivs oder des Cantus-Projekts an der University of Waterloo (Kanada) mit Volpiano erfasst. Eine Übersicht mit weiteren Projekten ist derzeit in Vorbereitung.
Wenn auch Sie ein Projekt mit Hilfe von Volpiano erstellt haben, würden wir uns über eine Nachricht mit einer kurzen Beschreibung sehr freuen. Gerne fügen wir es auch zu unserer Übersicht hinzu.

Rückmeldung erwünscht / Benachrichtigung bei Neuheiten

Sie arbeiten bereits mit Volpiano? Dann würde uns Ihre Meinung dazu interessieren! Schreiben Sie uns, wie Sie auf Volpiano aufmerksam geworden sind, wofür Sie es einsetzen und was Sie daran überzeugt – oder vielleicht manchmal stört. Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung

Falls Sie über neue Versionen oder Entwicklungen informiert werden möchten, schicken Sie bitte ebenfalls eine kurze .

Funktionsweise

Grundsätzlich handelt es sich bei Volpiano in erster Linie um ein technisches Hilfsmittel, eine einfache Schriftart, welche die Verarbeitung von gregorianischen Melodien in Datenbanken vereinfachen soll. Daneben entwickelt es sich aber immer mehr zu einer plattformübergreifenden Möglichkeit der einfachen Notation von Melodien innerhalb unterschiedlichster Textverarbeitungsprogramme. Der Vorteil liegt auf der Hand: Jeder kann mit dem Programm weiterarbeiten, an dessen Benutzung er gewöhnt ist – einzig das Grundprinzip von Volpiano muss anfangs verstanden werden.

Eben dieses Grundprinzip ist denkbar einfach: Für jede Tonhöhe steht ein Buchstabe auf der Tastatur zur Verfügung. Im Tonar von Saint-Bénigne findet dieses Notationsmodell mit den Buchstaben a–p Anwendung. Eben diesen Buchstaben werden nun in der Schriftart Volpiano die entsprechenden Notenzeichen auf einem Fünf-Linien-System zugeordnet.

Introitus Resurrexi
Der Beginn des Oster-Introitus Resurrexi im Tonar von Saint-Bénigne sowie in der Übertragung mit Volpiano

Ergebnis ist eine einfache und maschinenlesbare Version gregorianischer Melodien, die mit Hilfe von Volpiano auch »menschenlesbar« werden. Diese von Prof. Dr. David Hiley entwickelte Idee hat letztendlich die Möglichkeiten zur Vergleichbarkeit von Melodien entscheidend erweitert.

Dass bei der Verwendung von Volpiano gewisse Informationen »auf der Strecke bleiben« (z. B. ob es sich um eine Virga oder ein Punctum handelt etc.), ist eine gewollte Unschärfe: Melodien sollen vergleichbar werden, indem weniger exakte Notation als vielmehr Melodieverläufe festgehalten werden. Große Datenbankprojekte wie Cantus Planus in Regensburg oder Cantus in Waterloo (Kanada) wenden dieses Prinzip erfolgreich an.

Für die anfangs nicht grundsätzlich intendierte Verwendung von Volpiano bei klassischen Notensatzaufgaben ist die Entwicklung einer eigenen Version der Schrift vorgesehen, die für die Verwendung in Editionen optimiert sein wird.

Volpiano basic

Zeichenvorrat von Volpiano basic
Der Zeichenvorrat von Volpiano basic in Version 5.1

Volpiano basic ist die Urversion der Schriftart. Ihre Zeichen basieren auf der Notenschrift Guido des Department of Early Music der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in Budapest. Für Volpiano wurden die Zeichen in einigen Details angepasst.

Bis zur Version 3 (2009) bestand Volpiano aus einer einzelnen Schriftdatei. Um das Grundprinzip der Zuordnung von Buchstaben und Tönen nicht zu gefährden, wurde bei der Erweiterung in Version 4 eine separate Schriftdatei für Oriscus und Quilisma angelegt.

Volpiano basic ist Freeware (allerdings nicht Open Source!) und steht kostenlos zum Download (siehe unten) und zur Benutzung zur Verfügung.

Versionsgeschichte

Version 5.1 (1.5.2017) · Version 5.01 (28.11.2014)

  • Notenköpfe »f°« für alle Notenvarianten
  • Kurze Leerzeilen (½- und ¼-Breite)
  • Grafische Korrekturen
  • Dateiformate: OTF, TTF, PS, WOFF (und weitere Webfonts)

Version 4 (12.8.2011)

  • Je 19 Notenköpfe (»g°–d²«) für Oriscus und Quilisma in einer separaten Schriftdatei (»Volpiano2«)
  • 2 Notenköpfe in kleiner Größe (»g°/d²«)
  • Divisio maior und minima
  • Grafische Korrekturen

Version 3 (10.3.2009)

  • Abkürzungszeichen für Versus, Respons und »Alle«
  • Grafische Korrekturen

Version 2 (23.4.2006)

  • 17 Notenköpfe in kleiner Größe (»a°–c²«, Liquescens)
  • B-Vorzeichen für Töne e¹ und e²
  • Auflösungszeichen analog zu den B-Vorzeichen
  • Grafische Korrekturen

Version 1 (18.1.2003)

  • 19 Notenköpfe in normaler Größe (»g°–d²«)
  • G- und F-Schlüssel (Violin-Bassschlüssel)
  • Leerzeile, Divisio maxima und Schlussstriche
  • B-Vorzeichen für Töne h°, h¹, h²
  • Dateiformate: TTF und PS

Volpiano pro

Ein weiterer Entwicklungsschritt soll mit Volpiano pro vollzogen werden: Diese Variante ist mit einem grafisch überarbeiteten Zeichensatz und weiteren Verbesserungen hinsichtlich des Notenbildes gezielt für die Verwendung in Editionen vorgesehen.

Im Gegensatz zur Basisversion wird Volpiano pro nicht als Freeware zur Verfügung stehen. Genauere Informationen finden Sie zu gegebener Zeit an dieser Stelle.

Anregungen erwünscht …

Sie haben eine Anregung oder Wünsche für die Entwicklung von Volpiano pro? , wir freuen uns auf Ihre Anregungen und Ideen!

Projekte

Folgende Projekte verwenden Volpiano für die Verarbeitung ihrer Daten:

  • Cantus · A Database for Latin Ecclesiastical Chant – University of Waterloo (Kanada)
  • Cantus Augusta – Quellen des Gregorianischen Chorals für das Offizium aus dem Benediktinerkloster St. Ulrich und Afra Augsburg – Robert Klugseder, Wien
  • Cantus Planus – Regensburger Datenbank zum gregorianischen Choral – Universität Regensburg, Institut für Musikwissenschaft

(Die Liste befindet sich im Aufbau und wird weiter vervollständigt.)

Ergänzungen?

Ihr mit Hilfe von Volpiano erstelltes Projekt fehlt in dieser Übersicht? Lassen Sie uns eine kurze und eine Beschreibung zukommen, damit es in diese Liste aufgenommen werden kann. Vielen Dank!

Download

Derzeit aktuell: Version 5.1 vom 1. Mai 2017.

Volpiano basic liegt in verschiedenen Schriftformaten vor, die Anordnung der Zeichen ist identisch. Jede Zip-Datei enthält neben den eigentlichen Schriftdateien eine Zeichentabelle zum Ausdrucken sowie eine Datei mit der Lizenzvereinbarung.

Bitte beachten Sie:

Um sicherzustellen, dass allen Benutzern die jeweils aktuellste Version zur Verfügung steht, soll Volpiano künftig nur noch von diesem Server zum Herunterladen angeboten werden. Die Betreiber anderer Internetseiten, auf denen Volpiano zur Verfügung steht, werden gebeten, die entsprechende Kopie zu entfernen und stattdessen folgenden Link anzugeben: www.fawe.de/volpiano

Wilhelm von Volpiano

Insel San Giulio
Die Insel San Giulio im Ortasee (Norditalien), Geburtsort Wilhelms
Foto: © Fabian Weber

Wilhelm (Guglielmo) von Volpiano kam im Juni oder Juli des Jahres 962 auf der Insel San Giulio im Ortasee (Norditalien) zur Welt. Er war der Sohn des aus einem alemannischen Adelsgeschlecht stammenden Grafen Robert von Volpiano und seiner Frau Perinza, welche mit dem langobardischen Königshaus verwandt war. Taufpate und Förderer des Kindes war Kaiser Otto der Große.

Seine Ausbildung begann Wilhelm im Alter von sieben Jahren im Benediktinerkloster Santa Maria di Lucedio bei Vercelli und setzte sein Studium in Pavia fort. Nach Vercelli zurückgekehrt trat er schließlich in den Orden ein und wurde Scholasticus des Klosters. 987 folgte er dem Ruf des Abtes Maiolus von Cluny und trat als Mönch ins dortige Kloster ein.

Wilhelms Durchsetzungsvermögen und sein Geschick bei der Durchführung von Reformen machten ihn zu einem gefragten Mann in verschiedenen Klöstern des Benediktinerordens: Schon 988 wurde er Prior im Kloster Saint-Saturnin in Pont-Saint-Esprit (bei Nîmes), im Jahr darauf holte ihn Bischof Brunon de Roucy zur Reform des Klosters Saint-Bénigne nach Dijon. Nachdem der vorherige Konvent ausgezogen war, wurde das Kloster mit Mönchen aus Cluny neu besiedelt, Wilhelm wurde 990 zum Priester und Abt geweiht.

Saint-Bénige
Rekonstruktion der Abteikirche Saint-Bénigne zur Zeit Wilhelms von Volpiano
Rekonstruktion: Kenneth John Conant; Kolorierung: Fabian Weber

In der Folge entwickelte sich Saint-Bénigne zu einem Zentrum der cluniazensischen Reformbewegung, das auf Klöster in ganz Frankreich ausstrahlte. Spiritualität, Erziehung und Kultur erlebten eine Blütezeit und auch wirtschaftlich war das Kloster vorbildlich geführt. Um das Jahr 1000 begann Wilhelm mit dem Neubau der Klosterkirche von Saint-Bénigne, nachdem der rund 450 Jahre alte Vorgängerbau deutliche Verfallserscheinungen zeigte. Als begehrter Ratgeber erhielt Wilhelm von Volpiano von vielen Häusern des burgundischen Hochadels den Auftrag, ihre jeweiligen Klöster nach dem Geist von Cluny zu reformieren. Rund sechzig Konvente in Burgund, Lothringen, in der Normandie und in Paries waren es schließlich, die von Dijon aus reformiert wurden. Wilhelm fungierte dabei jeweils als Abt, der in den Klöstern einen neuen Prior aus Saint-Bénigne einsetzte und die Fortschritte der Reformen bei seinen Visitationen kontrollierte.

Abtei Fruttuaria
Campanile der Abtei Fruttuaria in der Nähe von Turin
Foto: Twice25, San Benigno Canavese – Torre dell’Abbazia della Fruttuaria, CC BY-SA 3.0

Im Jahr 1001 erhielt Wilhelm von Richard II. den Auftrag, die Abtei Fécamp – die Familiengrabstätte der Herzöge der Normandie – zu reorganisieren. 1003 gründete er schließlich auf dem Besitz seiner Familie in San Benigno Canavese bei Turin die neue Abtei Fruttuaria. Das Klosterleben in Saint-Bénigne blühte unter Wilhelm von Volpiano weiter auf, und zahlreiche Ordenseintritte aus allen Ständen ließen den Konvent bis 1020 auf rund achtzig Mönche wachsen. Seine Strenge und sein einfacher persönlicher Lebensstil machten ihn zum »Abbas supra regulam«. Am 1. Januar 1031 starb Wilhelm von Volpiano in Fécamp und wurde in einer Kapelle der dortigen Klosterkirche bestattet. Nach seinem Tod hatte der Verband der ihm unterstellten Klöster nicht länger Bestand. Im Jahr 1950 sprach Papst Pius XII. Wilhelm heilig.